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Erfolgsfaktor: Krisenkommunikation

Egal, von wo sie kommt, eine Krise kann den Ruf einer Organisation schädigen, ihre Glaubwürdigkeit untergraben und im äußersten Fall sogar ihre Existenz bedrohen. Was es in einem solche Fall zu tun gilt. 

Wenn ein Unternehmen glaubt, es sei vor einer Krise gefeit, irrt es. Bereits heute ist Künstliche Intelligenz in der Lage, Stimmenklang, Gesichtszüge sowie Textkreation aus nur wenigen Probefetzen zu erstellen und damit eine komplette digitale Identität zu mimen. Dazu kommen Falschinformationen, die gezielt oder durch Gerüchte in sozialen Netzwerken oder anderen Medien in Windeseile verbreitet werden oder man wird Opfer der steigenden Fälle von Cyberkriminalität.[1]

Die Frage ist also nicht, ob man sich früher oder später einer Krise stellen muss, sondern vielmehr wann und in welcher Intensität. So weit, so beunruhigend. Ein gutes Krisenmanagement kann diese Situation jedoch abmildern und es gibt verschiedene Möglichkeiten einer umsichtigen Vorbereitung.[2] Es gilt jedoch nicht nur Maßnahmen zur bestmöglichen Prävention oder zum Bewältigen der Krise zu treffen, sondern auch zur bestmöglichen Nachbereitung. Wie genau macht man weiter, wenn der Schaden einmal angerichtet ist und wie baut man sich eine verlorene Reputation wieder auf?

Das Problem identifizieren – und zwar ehrlich

Wie bereits skizziert, gibt es unzählige Wege, wie sich eine Krise wie ein Sturm über einem Unternehmen entfalten kann. Von kommunikativen Missverständnissen, Informationen aus der Vergangenheit bis hin zu Leaks und klaren Enthüllungen von Fehlverhalten. Man nehme Greenwashing als Beispiel. Die eigens auferlegte Verpflichtung, das eigene Angebot oder Produkt so nachhaltig wie möglich zu gestalten, ist schon lange kein Marketinggag mehr. Es ist ein emotionales Verbindungselement mit der eigenen Zielgruppe und für viele ein Versprechen an eine bessere Zukunft. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn sich herausstellt, dass Kennzahlen oder Prozesse nicht ganz so nachhaltig sind, wie es beworben oder versprochen worden ist. Beispiele für Fälle von Großkonzernen (H&M, HSBC, etc.)[3] finden sich zuhauf, aber auch Start-ups (Fintech Tomorrow[4], Got Bag[5], etc.) reihten sich zunehmend in den vergangenen Jahren auf die stetig länger werdende Liste.

Der erste Schritt für das Unternehmen muss also mitunter das Eingeständnis sein, dass ein Problem besteht, dass ein Fehler gemacht worden ist oder dass man seine Nutzer:innen enttäuscht hat. Das Unternehmen sollte eine klare und öffentliche Stellungnahme abgeben, in der es die Verantwortung für das Problem übernimmt, sein Bedauern über den entstandenen Schaden zum Ausdruck bringt und die Schritte darlegt, die es zur Behebung der Situation unternehmen wird. Diese Darstellung kann einerseits auf einem Statement der Webseite, der LinkedIn-Accounts des Führungskreises oder via Videobotschaft auf den verschiedenen Plattformen geteilt werden.

Der Fall Air up: Die Aufgabe von Journalismus verstehen

Im April 2022 veröffentlichte der Spiegel einen kritischen Artikel über das Unternehmen Air up [6]. Die Gründerin äußerte sich wenig später auf LinkedIn, nannte die Kritik „hart“, „persönlich und destruktiv“ und implizierte, dass die Berichterstattung „der Frage nach einer besseren Zukunft nicht helfen“ würde[7]. In den Kommentaren des Online-Posts häuften sich Zustimmung und Solidarität sowie Kritik am deutschen Journalismus durch andere Unternehmer:innen. Eine Userin schrieb zum Beispiel: „Ein deutsches Start-Up wird geliebt und hat Erfolg. Warum kann man statt diesem Artikel (offensichtlich Copyright Paste (sic!) der Webseite durch den negativen Filter gezogen) nicht ein Portrait, Interview etc. machen, das wiederum andere Innovatoren zum Nachahmen inspiriert?“ Auf die Inhalte des Artikels angesprochen, gaben nicht wenige Kommentatoren zu, den Artikel nicht gelesen zu haben, da dieser hinter der Bezahlschranke des Spiegels liegt[8].

Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Urheberin des Postings selbstverständlich nicht verantwortlich für die Meinung der Kommentaror:innen ist. Hier scheint der Versuch durch – der teilweise mit Blick auf die Kommentare auch funktioniert hat – den klassischen Sprung in die Offensive zu wagen, indem man sein Gegenüber diskreditiert. Zwar wurde sich für die Berichterstattung bedankt, aber die darauffolgende Einordnung der Veröffentlichung lässt vermuten, dass die Dankbarkeit eher nur Schein war. Zwar kann es wichtig und hilfreich sein, sich Stakeholder:innen zur Stützung der eigenen Reputation an Bord zu holen. Auch ist es lobenswert, dass sich die Führung zu diesem Fall überhaupt öffentlich äußert – dies geschieht noch immer selten genug. In diesem Fall scheint die Unternehmensführung vertreten durch die Co-Founderin jedoch eher die Berichterstattung per se anzuprangern, als sich der Verantwortung bewusst zu werden.

Missstände aufzudecken, ist kein persönlicher Angriff auf Führungskräfte oder das Unternehmen, sondern eine Prüfung des eigens gemachten Versprechens. Viele Gründer:innen sind sehr stolz auf ihr Produkt oder ihren Service – meistens auch vollkommen zurecht -, aber hegen dahingehend eine falsche Erwartung an den Journalismus. Dieser müsse doch berichten, und zwar wohlwollend und in höchsten Tönen. Decken Journalist:innen jedoch falsche Versprechen oder gar Lügen auf, werden sie oft als die Schuldigen dargestellt, die erst Halt machen, wenn etwas Negatives gefunden worden ist. Nicht selten wird eine persönliche Abneigung vermutet oder interpretiert. Wer dies denkt, verkennt viel zu leicht die Aufgabe des Journalismus als Instanz dafür Sorge zu tragen, dass über Missstände berichtet wird. Ja, Journalist:innen sind auch nur Menschen und machen auch mal Fehler, aber statt der Berichterstattung auszuweichen oder den Artikel öffentlich anzuprangern, sollte man also Verantwortung übernehmen und die Chance nutzen, Fehler zu beheben.

Klare und transparente Kommunikation

Wichtig ist, dass diese Stellungnahme ehrlich, klar und authentisch ist. Wer versucht, trotz klarer Verantwortung die Schuld von sich zu schieben und in Erklärungen flüchtet, riskiert die Stimmung nur erneut anzufachen. Um Mitarbeiter:innen wertzuschätzen, kann diese Stellungnahme auch intern erfolgen, bevor sie kurze Zeit später mit der Öffentlichkeit geteilt wird. Eine klare und ehrliche Kommunikation kann dazu beitragen, das Vertrauen wiederherzustellen und das Engagement des Unternehmens zu demonstrieren, die Dinge richtig zu stellen. Dies ist auch von Bedeutung, wenn das Unternehmen ohne eigenes Verschulden in eine Krise gerutscht ist. Es empfiehlt sich, über Monitoring-Tools (Meltwater, Echobot, Brandwatch, etc.)[9] den öffentlichen Diskurs weiterhin im Blick zu behalten.

Rasch Maßnahmen ergreifen und Haltung zeigen

Dieser Schritt ist von außen einfach zu skizzieren, aber genauso schwer, wie notwendig: Das Unternehmen sollte konkrete Schritte unternehmen, um die Ursachen der Krise zu beseitigen und zu verhindern, dass sie sich wiederholt.

Dies kann weitreichende Änderungen an den eigenen Richtlinien, etablierten Verfahren oder der aktiven Führung beinhalten. Sollte man durch einen Stakeholder oder Werbepartner in die Krise mithineingerutscht sein, muss in Erwägung gezogen werden, diese Partnerschaft nun dauerhaft aufzulösen oder sich aktiv hinter sie zu stellen. Ein Dazwischen gibt es nicht und ein Aussitzen der Situation ist aufgrund des möglichen öffentlichen Drucks nicht möglich. In jüngeren Schlagzeilen war dies oft der Fall, wenn Personen des öffentlichen Lebens durch mutmaßliches Fehlverhalten aufgefallen sind, siehe die individuellen Fälle von Animateur und Voice Actor Justin Roiland in den USA oder die Debatte um den Musiker und Influencer Fynn Kliemann in Deutschland. Die Bewertung der jeweiligen Partnerschaft bleibt jedoch im Einzelfall genauestens zu prüfen, denn auch hier ist das Potenzial, den Konflikt durch loyale Fankreise von Influencern, die ihr Idol als unfair behandelt sehen, weiter anzuheizen, nicht zu unterschätzen.

Das Vertrauen langsam wieder aufbauen

Zugegeben, es braucht einen langen Atem: Zum einen ist das Internet sehr nachtragend und Links lassen sich noch lange Zeit später wiederfinden. Zum anderen werden Medien das Thema sicher das eine oder andere Mal wieder aufgreifen, sei es auch nur, um auf ältere Artikel zu verlinken. Auch wenn es weh tut, muss man darauf vorbereitet sein, dass Journalist:innen oder sogar Bewerber:innen auf das Thema zu sprechen kommen werden. Proben Sie den Umgang mit der Frage in Medientrainings und bereiten Sie Wordings vor, die den relevanten Teams zur Verfügung gestellt werden können.

Ziel sollte es sein, daran zu arbeiten, das Vertrauen durch kontinuierliche Kommunikation, Transparenz und konsequentes Handeln wiederherzustellen. Agenturen sprechen in diesem Kontext oft von einer Qualitätsoffensive. Sind neue Produkte geplant? Gibt es Anlässe, die sich für eine weitere Kommunikation eignen? Existieren derzeit Diskurse in der Gesellschaft, für die sich das Unternehmen stark machen kann?

Das Wichtigste: aus den Fehlern lernen

Das Unternehmen sollte die gewonnene Erfahrung nutzen, um zu lernen und Abläufe, Strategien und Praktiken zu verbessern. Haben die Abläufe funktioniert? Wussten alle Verantwortlichen Bescheid und wurden über Abläufe informiert? Konnte die Krise abgewendet oder gut gemanagt werden? Wenn nicht, woran lag das?

Es ist nicht leicht, sich der Kritik der Öffentlichkeit zu stellen – mag diese berechtigt sein oder nicht. Dennoch bewahrheitet sich, dass wenn das Unternehmen aus der Krise lernt, es langfristig gestärkt und widerstandsfähiger daraus hervorgehen kann. Es ist von entscheidender Bedeutung, hier eine Resilienz zu entwickeln, die einem hilft, die kommenden Potentiale für Krisenfälle besser verarbeiten zu können.

Quellenangabe:
[1] Bundeslagebild | Cybercrime 2021 (https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Cybercrime/cybercrimeBundeslagebild2021.html?nn=28110)
[2] VGL. Ass. iur. Jana Meißner und Prof. Dr. Annika Schach, Professionelle Krisenkommunikation (2019)
[3] https://thesustainableagency.com/blog/greenwashing-examples/
[4] https://www.startbase.com/reports/wie-auch-start-ups-in-die-greenwashing-falle-tappen/
[5] https://utopia.de/news/greenwashing-vorwurf-gegen-got-bag-influencerinnen-beenden-kooperation/
[6] Katharina Koerth, DER SPIEGEL: Der zweifelhafte Hype um die Duftwasserfirma Air Up. https://www.spiegel.de/wirtschaft/air-up-der-zweifelhafte-hype-um-die-duftwasser-firma-a-37a1f095-86c3-400b-a51a-f2f68060aa45
[7] Posting von Lena Jüngst, Co-Founder & Chief Evangelist bei air up GmbH, auf Linkedin. April 2022. https://www.linkedin.com/posts/lena-juengst_sustainablebydesign-greenwashing-bullshit-activity-6916296761288339456-UCuS?utm_source=share&utm_medium=member_desktopBesucht am 27.02.2023.
[8] Posting von Lena Jüngst, Co-Founder & Chief Evangelist bei air up GmbH, auf Linkedin. April 2022. https://www.linkedin.com/posts/lena-juengst_sustainablebydesign-greenwashing-bullshit-activity-6916296761288339456-UCuS?utm_source=share&utm_medium=member_desktopBesucht am 27.02.2023.
[9] https://www.meltwater.com/de/blog/social-media-monitoring-tools

Zur Person: Als Kommunikationsberater hat Marten Neelsen mehrere Unternehmen bei der Erstellung und Verfolgung einer nachhaltigen Kommunikationsstrategie beraten. Neben verschiedenen Agenturen begleitete der studierte Germanist dabei Start-ups, Unternehmen aus dem Mittelstand sowie Konzerne an der deutschen Börse mit Fokus auf Technologie. Aktuell ist Marten Neelsen bei der IBM iX in Berlin tätig.

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