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Die Resilienz-Forschung liefert vor allem Hinweise darauf, was Organisationen haben müssen, um resilient zu sein. Sie erklärt kaum, wie Resilienz in Organisationen tatsächlich funktioniert und wie sie entwickelt beziehungsweise gefördert werden kann. Fokussiert man ein fähigkeitsbasiertes Resilienz-Modell, kann die Entwicklung und Förderung der Resilienz grundsätzlich an den Resilienz-Fähigkeiten und -Praktiken, aber auch an den Resilienz-Ressourcen ansetzen.

Unternehmen sind heutzutage häufig mit unerwarteten Ereignissen konfrontiert, die die Existenz der Organisation bedrohen können. Das zeigen Krisen wie die Covid-19-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Naturkatastrophen der letzten Jahre eindrücklich. Schätzungen gehen davon aus, dass ohne entsprechende Vorbereitungen bis zu 40 Prozent der betroffenen Unternehmen innerhalb von wenigen Jahre nach einem schwerwiegenden Ereignis vom Markt verschwinden (Cocchiara, 2009). Aus diesem Grund müssen Unternehmen Fähigkeiten entwickeln, die ihnen dabei helfen, effektiv mit solchen Situationen umzugehen, um langfristig am Markt bestehen zu können. In der Literatur wird dieses Phänomen als Resilienz bezeichnet.

Der Resilienzbegriff hat seine Ursprünge in der Materialwissenschaft, der Psychologie und der Ökologie und verweist generell darauf, wie gut ein System Störungen aushalten und wie schnell es nach einer Störung in den Ausgangszustand zurückkehren kann. Abhängig vom betrachteten System hat Resilienz jedoch ganz unterschiedliche Bedeutungen. So kann sich Resilienz auf Individuen, Regionen und Städte, sozio-ökologische Systeme oder Netzwerke beziehen. Im Fokus dieses Beitrags steht die Resilienz von Organisationen.

Drei unterschiedliche Perspektiven

Obwohl in der Literatur kein einheitliches Verständnis zum Begriff der Organisationalen Resilienz vorliegt, lassen sich grundsätzlich drei unterschiedliche Perspektiven unterscheiden. Ursprünglich wurde Resilienz vor allem als die Fähigkeit eines Unternehmens beschrieben, schwierige Situationen zu überstehen und anschließend in den Ausgangszustand zurückzukehren. Resilienz wurde folglich als eine Art von Resistenz verstanden. Neuere Ansätze gehen einen Schritt weiter und beschreiben Resilienz als eine Fähigkeit zur Weiterentwicklung beziehungsweise die Fähigkeit zur Ausnutzung und Kreation neuer Möglichkeiten. Hier ist Resilienz eher als eine Art der Anpassung oder Transformation zu verstehen. Darüber hinaus gibt es Ansätze, die auch die Fähigkeit zur Antizipation als Teil der Resilienz beschreiben.

Folgt man jüngsten Entwicklungen in der Literatur und kombiniert diese Perspektiven, kann Organisationale Resilienz definiert werden als die „Fähigkeit, kritische Situationen zu antizipieren, effektiv mit ihnen umzugehen und aus ihnen zu lernen, um gestärkt daraus hervorzugehen“ (Duchek, 2020).

„Die bisherige Forschung erklärt kaum, wie Resilienz in Organisationen tatsächlich funktioniert und wie sie entwickelt bzw. gefördert werden kann.“

In der Literatur werden diverse Einflussfaktoren auf die Resilienz von Organisationen beschrieben. Einige Arbeiten fokussieren auf resilienzförderliche Eigenschaften des Unternehmens wie Redundanz, Einfallsreichtum, Robustheit und Schnelligkeit. Andere beschreiben verschiedene Verhaltensweisen als potenzielle Quellen von Resilienz. Zum Beispiel benennt Weick (1993) vier Verhaltensweisen, die resiliente von nicht-resilienten Organisationen unterscheiden: Improvisation und Bricolage, ein virtuelles Rollensystem, die Weisheit des Zweifels und respektvolle Interaktion. Bricolage meint dabei die Fähigkeit, auch in Stresssituationen improvisieren und kreative Problemlösungen entwickeln zu können. Ein virtuelles Rollensystem ermöglicht es den Mitgliedern einer Organisation, die Rolle des jeweils anderen zu übernehmen und somit Ausfälle zu kompensieren. Die Weisheit des Zweifels („attitude of wisdom“) meint die Fähigkeit, Bekanntes zu hinterfragen, die eigenen Grenzen zu kennen und nach neuen Informationen zu suchen. Und respektvolle Interaktion hilft dabei, einem bedrohlichen Ereignis gemeinsam einen Sinn zu-zuschreiben.

Resilienz-Prozess und Resilienz-Fähigkeiten

Die bisherige Forschung liefert damit vor allem Hinweise darauf, was Organisationen haben müssen, um resilient zu sein. Sie erklärt aber kaum, wie Resilienz in Organisationen tatsächlich funktioniert und wie sie entwickelt beziehungsweise gefördert werden kann. Ein Fokus auf den Resilienz-Prozess kann dabei helfen, ein besseres Verständnis des tatsächlichen Verhaltens resilienter Organisationen zu erlangen (Duchek, 2020).

Grundsätzlich können drei Phasen des Resilienz-Prozesses unterschieden werden: die Phase der Antizipation, die Phase des Krisenumgangs und die Phase der Anpassung (oder auch: vor, während und nach der Krise). Diesen Phasen unterliegen verschiedene Resilienz-Fähigkeiten, die zur erfolgreichen Bewältigung der drei Phasen notwendig sind.

  • Fähigkeiten der Antizipationsphase umfassen die kontinuierliche Beobachtung der Umwelt, die frühzeitige Identifikation kritischer Ereignisse und die Vorbereitung auf eben diese.
  • Fähigkeiten des Krisenumgangs meinen zu-nächst einmal die Akzeptanz kritischer Situationen, um im nächsten Schritt Lösungen für das Problem entwickeln und diese implementieren zu können
  • Fähigkeiten der Anpassung beziehen sich vor allem auf die Reflexion und das Lernen aus Erfahrung, wodurch die Wissensbasis des Unternehmens vergrößert wird und somit wiederum eine verbesserte Antizipation kritischer Ereignisse möglich wird.

All diese Fähigkeiten sind Prozessfähigkeiten, d.h. sie entstehen im Prozess des Umgangs mit kritischen Situationen. Gelingt es dem Unternehmen, eine Krise erfolgreich zu bewältigen, legt es damit den Grundstein für einen noch effektiveren Umgang mit zukünftigen Krisen.

Förderung organisationaler Resilienz

Aufbauend auf diesem fähigkeitenbasierten Resilienzmodell lassen sich erfolgreiche Praktiken im Umgang mit Krisen entwickeln. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants sind circa 60 Prozent der Krisenfälle bereits drei Jahre vor dem Eintreten der eigentlichen Erfolgskrise erkennbar (Moldenhauer, 2004, S. 15).

„60% der Krisenfälle sind bereits drei Jahre vor dem Eintreten der eigentlichen Erfolgskrise erkennbar.“

Umso wichtiger sind Praktiken der Krisenwahrnehmung, wie das „Issue Management“, bei dem sich das Unternehmen systematisch mit den Anliegen seiner Umwelt auseinandersetzt, um in der Öffentlichkeit aufkommende Themen frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Zur Vorbereitung auf Krisen eignen sich sodann Krisenübungen, -simulationen und -trainings, insbesondere auch Medientrainings für Führungskräfte. Während der Krise spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle, nicht nur intern, um schnell Lösungen für die Krise zu entwickeln, sondern auch Externen gegenüber, um Schaden zu begrenzen. Nach der Krise sind es vor allem Reflexions- und Lernpraktiken, die dem Unternehmen dabei helfen, sich zu erholen oder gar gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Um diese Resilienz-Praktiken auszubilden und erfolgreich zum Einsatz zu bringen, benötigen Unternehmen verschiedene Resilienz-Ressourcen. So sind personelle und finanzielle Ressourcen notwendig, um sich gut auf Krisen vorbereiten zu können. Sozialkapital – im Sinne positiver sozialer Beziehungen im Unternehmen – fördert die Informationsweitergabe, den Ressourcenaustausch und funktionsübergreifende Kollaboration und dient damit vor allem dem Krisenumgang. Organische Strukturen, das heißt Dezentralisation, Selbstorganisation und Partizipation, begünstigen Wandelprozesse und haben somit einen positiven Einfluss auf die Anpassung nach einer Krise. Grundsätzlich kann die Resilienz-Förderung somit an den Resilienz-Fähigkeiten und -Praktiken, aber auch an den Resilienz-Ressourcen ansetzen.

„Um Resilienz-Praktiken auszubilden und erfolgreich zum Einsatz zu bringen, benötigen Unternehmen Resilienz-Ressourcen.“

Ausblick

Der Beitrag hat gezeigt, dass die Betrachtung von Resilienz-Prozess und Resilienz-Fähigkeiten als Basis für ein erfolgreiches Management organisationaler Resilienz dienen kann. Wenn organisationale Resilienz ganzheitlich gefördert werden soll, reicht es jedoch nicht, sich auf die Ebene der Organisation zu beschränken; es müssen auch die Ebene des Individuums und des Teams beachtet werden. Denn nur eine Organisation mit resilienten Individuen und resilienten Teams kann selbst resilient sein.

 

Zur Person: Stephanie Duchek (Dr. rer. pol.) ist Senior Researcher am Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) in Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Innovation, organisationaler Wandel und Transformation. Seit mehr als 10 Jahren forscht sie zum Thema Resilienz von und in Organisationen. Sie ist ausgebildeter Resilienzcoach und auch als Dozentin und Trainerin im Bereich Resilienz tätig. Nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau studierte sie BWL an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und promovierte an der Freien Universität Berlin im Bereich Innovationsmanagement. Sie arbeitete als Juniorprofessorin für Strategisches Management an der Technischen Universität Dresden und als Gastprofessorin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

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