Erfolgsfaktor: Sprachfähigkeit
Resilienz zu leben bedeutet auch, Kommunikation zu verstehen. Denn nur mit Hilfe der Sprache können wir Wiederstände überwinden und ein Gemeinschaftsgefühl schaffen. Wie das gelingt, zeigt ein altbewährtes Modell aus der Kommunikationswissenschaft.
Wie kann ein Unternehmen oder eine Organisation resilienter werden? In Deutschland ist Organisationale Resilienz noch immer eine junge Disziplin, weshalb sich nur die wenigsten Unternehmer, Geschäftsführer und Manager diese Frage stellen. Wer sie sich jedoch stellt, wird schnell über Strukturen, Prozesse und Arbeitsabläufe nachdenken, die es zu optimieren gilt. Über Kommunikation jedoch spricht so gut wie niemand. Und das ist ein schwerer Fehler, denn nur wer sich richtig zu verständigen weiß, kann langfristig erfolgreich sein.
An dieser Stelle ist jedoch nicht die Rede von Markenkommunikation, Werbung oder Public Relations. Viel mehr ist es die Mitarbeiterkommunikation, die auf dem Weg zu einer resilienten Organisation eine große Rolle spielt. Sie braucht Mitarbeiter, die ebenfalls resilient sind, sich verstanden fühlen und als Teil einer Gemeinschaft sehen. Ist das nicht der Fall, so wird ein Unternehmen immer mit Missverständnissen, Intrigen und Grüppchenbildung zu kämpfen haben – und zwar auf allen hierarchischen Ebenen.
Vier Seiten der Kommunikation
Um eine solch schädliche Entwicklung zu vermeiden, bedarf es einiger Grundkenntnisse der Kommunikation. Führungskräfte können sich hier an den Theorien der Kommunikationswissenschaft orientieren. Diese helfen nicht nur dabei, Mitarbeiter und Kollegen besser zu verstehen, sondern auch die eigene Art der Verständigung kritisch zu hinterfragen. Eine dieser Theorien ist das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun.
Schulz von Thun geht davon aus, dass die zwischenmenschliche Kommunikation immer vier Aspekte hat:
- den Sachinhalt
- die Selbstoffenbarung
- die Beziehungsebene
- und den Appell
„Ein und dieselbe Nachricht enthält viele Botschaften; ob er will oder nicht – der Sender sendet immer gleichzeitig auf allen vier Seiten“, schreibt der Kommunikationswissenschaftler in seinem Klassiker „Miteinander reden“ (S.34). Was er konkret damit meint, wird in einem simplen Beispiel deutlich. Ein Mann (Sender) sitzt im Auto und sagt zu seiner Frau (Empfänger): „Du, da vorne ist grün.“ Doch was bedeutet diese Aussage jetzt auf den vier unterschiedlichen Seiten?
- Sachinhalt: Die Ampel ist grün.
- Selbstoffenbarung: Ich habe es eilig!
- Beziehungsebene: Du brauchst meine Hilfestellung!
- Appell: Gib Gas!
Welcher Aspekt dieser Botschaft nun am meisten in den Fokus rückt, liegt an der Interpretation und den individuellen Erfahrungen des Empfängers. Wenn der Frau aus dem Beispiel in ihrer Kindheit nie etwas zugetraut wurde und andere Menschen ihr immer Hilfe aufzwangen, so wird ihre Reaktion auf der Beziehungsebene besonders drastisch sein. Doch auch der Mann verrät auf der Seite der Selbstoffenbarung etwas über sich. Er hat es eilig! Vielleicht, weil er von seinen Eltern zu Pünktlichkeit erzogen wurde und Strafen zu erwarten hatte, wenn er als Jugendlicher einmal zu spät nach Hause kam.
Die gleichen Worte halten unterschiedliche Botschaften bereit
Was ist das Learning aus diesem Beispiel zwischenmenschlicher Kommunikation? Es soll zeigen, dass eine einzige Aussage auf vielfältige Art und Weise interpretiert werden kann. Zwischen dem, was Sie sagen und was Ihr Gegenüber versteht, liegen Welten! Das ist immer so und das wird sich auch niemals ändern. Nun ist es jedoch nicht die Lösung, das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun auswendig zu lernen und anzuwenden. Viel mehr kommt es darauf an, bei sich selbst und auch bei anderen Menschen zu erkennen, durch welche „Brille“ eine Aussage gerade wahrgenommen wird. Während Person A durch grüne Gläser schaut, sind es bei Person B vielleicht blaue. Um in einem Gespräch resilient gegenüber diesen Färbungen zu sein, hilft oft eine einfache Frage: „Wie meinen Sie das?“
Gute Kommunikation in Unternehmen hängt von der Bewusstheit ab, mit der Führungskräfte und Mitarbeiter ihre eigenen blinden Flecken wahrnehmen, ansprechen und reflektieren. Nur vor diesem Hintergrund kann ein Gespräch ohne Missverständnisse und Fehlinterpretationen stattfinden. Ist diese Voraussetzung aber erst einmal gegeben, steigen Verbundenheit, Vertrauen und auch der Gemeinschaftssinn in einem Unternehmen. Und diese drei Faktoren wiederum bilden den perfekten Nährboden für Organisationale Resilienz.
Quellen:
Schulz von Thun, Friedemann (2011): Miteinander reden (49. Auflage, Hamburg)