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Erfolgsfaktor Personelle Ressourcen: Die resilienten Fähigkeiten des Einzelnen sind wichtig

Wenn sich Unternehmen mit Resilienz beschäftigen, arbeiten sie an Organisationsstrukturen und Prozessen. Einen wichtigen Faktor vergessen sie jedoch.

Resilienz ist eine Antwort darauf, wie Menschen – und damit die Organisationen, in denen sie sich bewegen – auf unerwartete Veränderungen reagieren. Resilienz leitet sich vom lateinischen resiliere ab und bedeutet sinngemäß: abprallen, zurückspringen. Es geht jedoch nicht darum, OB man Widrigkeiten an sich abperlen lässt, sondern vielmehr WIE man ihre Wucht zur Veränderung nutzt.

„Es ist nicht die stärkste Spezies die überlebt, auch nicht die Intelligenteste, sondern eher diejenige, die bereit ist, sich zu verändern.“ (Charles Darwin)

Was für die einzelne Person gilt, ist ebenso für Unternehmen maßgeblich. Die ISO 22316:2017 „Security and resilience – Organizational resilience – Principles and attributes“ trägt dem Rechnung. In der Einleitung dieser Norm steht: „Organisationale Resilienz ist die Fähigkeit einer Organisation, etwas abzufedern und sich in einer ändernden Umgebung anzupassen, um so ihre Ziele zu erreichen, zu überleben und zu gedeihen.“

Aktuell gibt es eine Reihe von Auslösern, die Menschen wie Organisationen als bedrohlich erleben: Ob wir auf das Pandemie-Geschehen schauen, uns mit den Anforderungen der digitalen Transformation beschäftigen oder dem notwendigen nachhaltigen Wirtschaften Rechnung tragen, in jeder Hinsicht sind wir aufgefordert, uns auf die neuen Gegebenheiten einzustellen.

Der sich plötzlich wandelnde Kontext stellt jede:n Einzelne:n wie auch Unternehmen vor große Herausforderungen. Doch es wird nicht reichen, die damit einhergehende transformative Phase zu überstehen. Darauf zu hoffen, die unruhigen Zeiten mögen irgendwann vorbei sein und man könnte in alte Fahrwasser zurückkehren, ist im darwinistischen Sinne existenziell bedrohlich. Es gilt, das eigene Verhalten ebenso anzupassen wie Geschäftsmodelle grundsätzlich zu überdenken. Die Situation bietet die Gelegenheit, sowohl die Wirksamkeit als auch den Verbesserungsbedarf bestehender Standards zu untersuchen und somit die Grundlage für eine höhere Resilienz in zukünftigen Krisen zu legen.

„Auch Unternehmen haben das Recht zu sterben.“ (Thomas Sattelberger)

Die ISO 22316:2017 ist eine Hilfsnorm, die die Unternehmensführung dabei unterstützt, geeignete Steuerungselemente für die Belastbarkeit der Organisation anzuwenden. Die Interpretation und zu ziehende Konsequenzen obliegen letztendlich den im Unternehmen arbeitenden Menschen. Daher ist die personale Resilienz die Grundlage dafür, wie eine Organisation transformatorische Phasen übersteht.

Aus der Resilienzforschung wissen wir, wie entscheidend die Haltung ist, mit der Menschen den Disruptionen des Lebens begegnen. Resiliente Menschen sind davon überzeugt, dass sie mit einer Situation zurechtkommen werden, selbst dann, wenn sie scheitern sollten. Sie machen sich die Überzeugung zu eigen, dass sie die Situation in den Griff bekommen und die Probleme lösen können. Diese Einstellung führt dazu, dass sie beginnen, sich aktiv mit der Situation auseinandersetzen. Sehenden Auges schauen sie auf den Ernst der Lage. Wachstum entsteht aus dem Ringen darum, das Leben mit all seinen Widrigkeiten zu bewältigen – nicht aus einem Ereignis an sich. Allein kommen wir damit nicht weit. Für die Bewältigung herausfordernder Situationen sind gute Beziehungen zu anderen Menschen essentiell.

Resilienz braucht Unterstützung und Zeit

Menschen zu isolieren, schwächt sie. Das Zerstören von Verbindungen ist aus gutem Grund eine wirksame Angriffsstrategie, in der Kriegsführung ebenso wie bei destruktiven Verhaltensdynamiken wie Mobbing und Diffamierung: sie alle haben zum Ziel, Menschen von unterstützenden Ressourcen abzuschneiden und damit ihre Position zu schwächen. Umso wichtiger ist es, in Zeiten von besonderer Belastung den Schulterschluss zu üben, d.h. sich aktiv anderen Menschen gegenüber zu öffnen, ihre Unterstützung zu suchen und selbst welche zu geben. Neben der Bereitschaft, sich auf diese Art mit anderen Menschen zu verbinden, braucht es geeignete Rahmenbedingungen dafür, zum Beispiel Zeit für die Beziehungspflege, aber auch für die persönliche Reifung: Resilienzforscher veranschlagen für derartige Wachstumsphasen 1-2 Jahre.

Ein Grundsatz in der Prozessbegleitung lautet „Wenn Du etwas ändern willst, musst Du etwas anders machen.“ Für dieses Neue, Andere braucht es häufig auch andere Partner als bisher. Menschen, die andere, ungewohnte Perspektiven vertreten, helfen uns, neue Wege zu beschreiten. Die Bedeutung guter, passender und unterstützender Beziehungen wurde oben schon erwähnt. Dies gilt insbesondere in Situationen, wo wir uns zu neuen Ufern aufmachen. Wer in der alten Blase sitzen bleibt und stets die gleichen Denkschablonen bemüht, wird kaum neue Türen öffnen.

Resilienz als Schlüsselfaktor für transformatorisches Wachstum

Organisationale Resilienz spiegelt die resilienten Fähigkeiten des Einzelnen wider: es ist die Fähigkeit eines Unternehmens, auf Veränderungen zu reagieren und sich anzupassen, zukünftige Bedrohungen und Chancen zu antizipieren und eigene Schwachstellen zu kennen. Resilienz in diesem Sinne ist weit mehr als Informationssicherheit oder Business Continuity Management, und mehr als Organisationsstruktur oder Prozesse. Vielmehr kommt es auch auf die innere Haltung und das daraus resultierende Verhalten der Führungskräfte an. Wenn Mitarbeiter:Innen individuell gut mit Belastungen umgehen können, sind sie für die Organisation als Ganzes im Krisenfall eine wertvolle Ressource.

Die aktuellen Herausforderungen, so vielfältig sie auch sein mögen, sind eine gute Möglichkeit, sowohl die personale als auch die organisationale Resilienz zu trainieren. Resilienz spiegelt sich in dem buzzword „agil“ wieder: beides zielt auf die Anpassungsfähigkeit in sich schnell veränderten Situationen ab. Während Resilienz eine Fähigkeit als Ergebnis eines Lernprozesses beschreibt, ergibt sich „agil“ aus dem alltäglichen Tun: maßgeblich hierfür sind die Arbeitsweise und der Umgang miteinander. Somit ist die Einführung kolloborativer Zusammenarbeit und das Etablieren agiler Methoden die notwendige Konsequenz, um letztendlich zu organisationaler Resilienz zu gelangen.

Interessen der Beschäftigten in den Blick nehmen

Mit Blick auf die vielfältigen aktuellen Herausforderungen ist jedes Unternehmen darauf angewiesen, dass Beschäftigte ihre Potenziale einbringen und gemeinsam mit Kolleg:innen an innovativen Lösungen arbeiten. Aus diesem Grunde macht es Sinn, die Interessen und Motivationen der Beschäftigten in den Blick zu nehmen. Denn nur, wenn sie für sie günstige Arbeitsbedingungen vorfinden, werden sie ihre Aufgaben dauerhaft engagiert wahrnehmen können.

So gesehen gehört es zu den maßgeblichen Führungsaufgaben, den Beschäftigten gute Leistung überhaupt möglich zu machen. Dafür ist es erforderlich, den Rahmen der Zusammenarbeit neu zu definieren. Es gilt Führungsqualitäten neu zu bewerten: gesucht werden Persönlichkeiten, die selbst agil agieren und damit Rahmenbedingungen schaffen, die eine resilienzorientierte Arbeitsweise fördern. Anknüpfungspunkte sind:

  • Die jeweilige Motivation der Beschäftigten im Blick behalten und WIR-Qualitäten fördern. Dies erfordert eine Abkehr vom innerbetrieblichen Konkurrenzverhalten, damit niemand Karriere auf Kosten anderer macht. Gegebenenfalls sind Quertreiber zu sanktionieren.
  • Teams auf klare Ziele hin ausrichten und ihnen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen.
  • selbstorganisierte Arbeit im Team einführen, diese kontinuierlich fördern und die dafür notwendigen Kommunikations- und Arbeitsmethoden anwenden.
  • Im Team situativ kompetenzbasierte Führung ermöglichen und partizipative Entscheidungsprozesse etablieren.
  • räumlich und zeitlich flexible Arbeitsmodelle mit Leben füllen. Dies umfasst auch Regeln für notwendige Abstimmungsprozesse im Team inkl. entsprechender Servicestandards.

Überleben wird, wer sich den Gegebenheiten bestmöglich anpasst

Unerwartete Ereignisse, wie etwa die Pandemie oder Unwetter-Katastrophen, werden gemeinhin als lästige Behinderung im Alltagsgeschäft erfahren. Gleiches gilt für Normen wie die ISO 22316, aber auch gesetzliche Regeln, wie der verpflichtende Nachweis nachhaltiger Produktion im Geschäftsbericht. In Zeiten der Veränderung werden diejenigen gewinnen, die in der Lage sind, alte Überzeugungen über Bord zu werfen und neues Verhalten anzunehmen – mit anderen Worten: sich den Gegebenheiten bestmöglich anzupassen.

Resiliente Führungspersönlichkeiten wenden sich vom „Katastrophen-Denken“ ab und hin zu neuen Ufern. Die Notwendigkeiten und Regularien lassen sich auch als Impulse verstehen, aktiv einen Weg aus den vielfältigen Dilemmata zu suchen und die bisher gängige Arbeitsweise und das Geschäft neu zu erfinden. Womöglich ist es ein guter Anlass, das Unternehmen in Richtung Digitalisierung und zukunftsfähiger, nachhaltiger Geschäftsmodelle zu modernisieren.

Flexible Arbeitsweisen fördern die Agilität von Unternehmen

Zugegeben, es erfordert einige Kreativität, zum Beispiel aus einer saisonalen HomeOffice-Pflicht ein pfiffiges Arbeitszeitmodell zu entwickeln. Doch letztlich fördert eine zeitlich und räumlich flexible Arbeitsweise nicht nur die Vereinbarkeit auf Seiten der Beschäftigten – und damit deren Leistungsfähigkeit – sondern auch die Agilität des Unternehmens.

Autorin

Ulrike Reiche

Ulrike Reiche, Ex-Bänkerin und Unternehmensanalystin, systemische Beraterin, Yogalehrerin und vielfache Buchautorin begleitet seit 2004 Führungspersonen und Unternehmen nach dem Motto „Menschen machen Organisationen“. Reiche verbindet die Welt der Zahlen mit dem erfolgreichen Wirken der Menschen in Unternehmen. Ihr kommt es darauf an, die strategieorientierte Sichtweise der Geschäftsleitung mit den Interessenlagen der Mitarbeiter bestmöglich in Einklang zu bringen. Als Expertin für Leadership, flexible Arbeitskonzepte und Resilienz steht sie für einen modernen Führungs- und Arbeitsstil. Für das 22316_MAG schreibt sie als Gast-Autorin.