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Erfolgsfaktor: Krisenkommunkation

COVID-19 hat deutliche Schwächen in der Krisenkommunikation von staatlichen Institutionen offenbart. Nun stellt sich die Frage, was die Politik aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und zum Beispiel bei den vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar – bei der zunehmend eine Einmischung neuer Akteure wahrzunehmen ist – besser machen kann. Antworten darauf hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Dr. Martin Löffelholz von der Technischen Universität Ilmenau. Teil 1 einer Interviewreihe.

Professor Löffelholz, Kathrin Schleicher und Johanna Radechovsky sind Mitautoren der 2. Auflage des Springer Gabler Fachbuchs „Professionelle Krisenkommunikation: Basiswissen, Impulse und Handlungsempfehlungen für die Praxis“. Weitere Informationen zu ihrem Fachbeitrag mit dem Titel „Krisenkommunikation staatlicher Institutionen – Studienergebnisse und zentrale Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie“ finden Sie hier.

22316_MAG: Gesundheitskrisen wie die COVID-19-Pandemie stellen staatliche Institutionen nachweislich vor enorme Herausforderungen. Was macht die Kommunikation in solchen Krisensituationen so schwierig?

Prof. Dr. Martin Löffelholz: In Gesundheitskrisen haben staatliche Akteure eine doppelte Verantwortung. Einerseits müssen sie die Krise bewältigen und die Bevölkerung schützen, andererseits stehen sie vor einer großen Unsicherheit und in der Regel wachsender Kritik. Besonders in Demokratien mit föderalen Strukturen ist das nicht einfach: Viele Akteure müssen koordiniert werden, um widersprüchliche Botschaften zu vermeiden. Gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, dass die Vielzahl an Kommunikationskanälen und die mediale Vielfalt den Diskurs zusätzlich erschweren.

 

Welche Rolle spielen soziale Medien in diesem Zusammenhang?

Johanna Radechovsky: Soziale Medien sind Fluch und Segen zugleich. Sie ermöglichen es, Informationen schnell und gezielt zu verbreiten und sogar einen direkten Dialog mit der Bevölkerung zu führen. Doch sie bergen auch Risiken: Falschmeldungen und Gerüchte verbreiten sich schneller als gesicherte Informationen. WHO-Direktor Tedros Ghebreyesus nannte das treffend eine „Infodemie“. Solche Desinformationen können nicht nur das Verhalten der Menschen negativ beeinflussen, sondern auch die staatlichen Bemühungen untergraben.

 

Gibt es denn wissenschaftliche Ansätze, wie man staatliche Krisenkommunikation verbessern könnte?

Kathrin Schleicher: Die Forschung zur staatlichen Krisenkommunikation steckt tatsächlich noch in den Kinderschuhen, insbesondere im Vergleich zur unternehmerischen oder journalistischen Kommunikation. Zwar gibt es viele Empfehlungen aus der Wissenschaft – etwa zur Bedeutung von Transparenz, Empathie und zielgruppenspezifischer Ansprache –, aber empirische Studien zur Umsetzung fehlen oft. Genau hier setzt unser Forschungsprojekt an der TU Ilmenau an.

 

„Oft fehlt es an klaren Verantwortlichkeiten“

 

Können Sie uns mehr über dieses Projekt erzählen?

Gerne! Seit 2021 untersuchen wir, wie Bund, Länder und Kommunen während der COVID-19-Pandemie ihre Kommunikation organisiert und koordiniert haben. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und läuft über drei Jahre. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Interviews mit über 70 Vertreterinnen und Vertretern staatlicher Institutionen, von Bundesbehörden bis hin zu kommunalen Gesundheitsämtern.

 

Was haben Sie bisher herausgefunden?

Prof. Löffelholz: Unsere Ergebnisse zeigen gravierende Schwächen, insbesondere bei der Koordination zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen. Oft fehlt es an klaren Verantwortlichkeiten, und bürokratische Hürden verzögern Entscheidungen. Auch die Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen wurde als Herausforderung genannt. Viele Akteure nutzen zudem noch zu selten moderne Kommunikationsansätze wie multimodale Formate, obwohl diese besonders wirksam sein können.

 

„Krisenkommunikation muss proaktiv gestaltet werden“

 

Wie könnten solche Schwächen in Zukunft behoben werden?

Johanna Radechovsky: Ein zentraler Punkt ist die Verbesserung der Abstimmungsprozesse zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Gleichzeitig müssen wir die Ressourcen und Kompetenzen der Kommunikationsabteilungen stärken, etwa durch Schulungen oder die Einstellung spezialisierter Fachkräfte. Zudem ist die strategische Nutzung digitaler Medien und sozialer Plattformen entscheidend, um schneller und effektiver zu kommunizieren.

 

Was bedeutet das konkret für zukünftige Staatskrisen oder auch die vorgezogene Bundestagswahl, in die sich zunehmend und vehement neue Akteure einmischen ?

Prof. Löffelholz: Es geht darum, das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken und gleichzeitig präventiv zu arbeiten. Wenn wir aus der Pandemie eines gelernt haben, dann, dass Krisenkommunikation nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv gestaltet sein muss. Dazu gehört ein besseres Monitoring von Krisensignalen, der Ausbau von Netzwerken und die Einführung multimodaler Kommunikationsformate. Unser Projekt zielt darauf ab, solche Verbesserungen zu fördern und die Grundlage für eine effizientere Kommunikation in künftigen Krisen zu legen.

Über die Autoren: Dr. Martin Löffelholz ist Professor für Medienwissenschaft am Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft und Leiter der Internationalen Forschungsgruppe Krisenkommunikation an der Technischen Universität Ilmenau. Johanna Radechovsky und Kathrin Schleicher haben als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an dem Forschungsprojekt mitgewirkt.

Hinweis zum Buch:

Den kompletten Beitrag von Prof. Dr. Martin Löffelholz finden Sie hier. Zur Buchwebsite mit einer Übersicht aller Autoren und Beiträge geht es hier.

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