Erfolgsfaktor: Media Monitoring
Crossmediales Media Monitoring ist in der Krise unverzichtbar und ermöglicht es Unternehmen, ihre Krisenkommunikation erfolgreich zu steuern. Mit dem 22316_MAG spricht Wolf-Dieter Rühl, Director Research Services bei UNICEPTA, über die Bedeutung von Media Monitoring, Vorteile in Krisensituationen und neue Möglichkeiten, die sich so für Kommunikatoren ergeben.
Wolf-Dieter Rühl ist Mitautor der 2. Auflage des Springer Gabler Fachbuchs „Professionelle Krisenkommunikation: Basiswissen, Impulse und Handlungsempfehlungen für die Praxis“. Weitere Informationen zu seinem Fachbeitrag mit dem Titel „KI gestütztes Risiko- und Medienmonitoring – Neue, zeitgemäße und intelligente Werkzeuge des Managements“ finden Sie hier.
22316_MAG: Herr Rühl, warum ist Media Monitoring für Unternehmen in den letzten Jahren immer wichtiger geworden?
Wolf-Dieter Rühl: Media Monitoring war natürlich schon immer wichtig, hat aber über den ungeheuren Zuwachs an Plattformen und Kanälen einerseits sowie aufgrund der gestiegenen Erwartungshaltungen vieler Stakeholder-Gruppen andererseits heute noch einmal eine ganz andere Wichtigkeit. Unternehmen müssen viel mehr Inhalte von viel mehr Multiplikatoren zu immer Themen im Blick behalten. Bei der enormen Menge an täglichen Informationen, wie 200.000 Tweets und 695.000 Instagram-Stories pro Minute, ist eine systematische Erfassung und Analyse entscheidend, besonders in Krisensituationen, um schnell reagieren zu können.
Wie sieht das praktische Vorgehen beim Media Monitoring überhaupt aus?
Prinzipiell behalten wir für unsere Partner alle Mediengattungen im Blick und machen sie digitalisiert zugänglich und auswertbar. So können Kommunikateure in Echtzeit die aktuellen Entwicklungen nachvollziehen und Ableitungen für ihr praktisches Handeln treffen – etwa: mit welcher Botschaft müssen wir über welche Kanäle in welchen Markt?
Gibt es Veränderungen im Media Monitoring, die Sie über die letzten Jahre hinweg beobachtet haben?
Die beiden großen Hebel sind Geschwindigkeit und Automatisierung/KI. Heute ermöglicht es moderne Technologie, Daten aus Millionen von Quellen global und rund um die Uhr zu erfassen und zu analysieren, einschließlich Printmedien, Online-Medien, Radio/TV und sozialen Netzwerken.
„Positionierung von Influencern muss beobachtet werden“
Das klingt spannend. Welche Technologien kommen denn im modernen Media Monitoring zum Einsatz?
Moderne Technologien wie Crawling, Big Data und KI werden verwendet, um Daten aus verschiedenen Medien zu erfassen und in Echtzeit zu verarbeiten. KI kann Bilder und Logi erkennen, über speech-to-text-Verfahren können wir audiovisuelle Inhalte automatisiert auswerten. LLM-Modelle helfen uns dabei, die Tonalität von medialen Aussagen in Echtzeit zu bewerten. Über halbautomatisierte Netzwerkanalysen können zudem Multiplikatoren und ihre inhaltlich-thematische Vernetzung sichtbar gemacht werden.
Welche Vorteile bietet die Digitalisierung des Media Monitorings in Krisensituationen?
Die Digitalisierung ermöglicht es, Informationen in Echtzeit zu verarbeiten und schnell auf Veränderungen zu reagieren, was besonders in Krisensituationen entscheidend ist, um die Kommunikation anzupassen und potenzielle kritische Issues oder Krisen frühzeitig zu erkennen.
Welche Bedeutung haben soziale Medien, Blogs und Foren in Krisensituationen?
Diese Plattformen können eine große Dynamik entwickeln und beeinflussen oft den Verlauf einer Krise entscheidend. Sie können der Ausgangsraum für kritische Themen sein, die dann in die redaktionelle Nachrichtenlage hinüberschwappen, umgekehrt ist es aber auch ein großer Verstärkungsraum für Nachrichten aus den klassischen Medien – vor allem, wenn es sich um emotionalere Themen handelt. Es ist entscheidend, Meinungsführer und Multiplikatoren zu identifizieren, da sie die Diskussion stark beeinflussen. Ihre Positionierung muss genau beobachtet werden, um zu klären, ob negative Aspekte viral gehen und sich eine Krise dynamisch weiter verschärft.
Neben dem Monitoring gibt es ja auch noch das sogenannte „Listening“. Was ist der Unterschied?
Beide Begriffe verschmelzen zunehmend. Klassischerweise bezieht sich Monitoring auf das aktuelle Erfassen veröffentlichter Inhalte und ist zumeist auf klar definierte Subjekte und Themen ausgerichtet, während Listening auch das Interpretieren und Verstehen der Stimmungen und Zusammenhänge hinter den Daten und die mittel- und langfristige Perspektive sowie Umfeldthemen umfasst.
„Menschliche Einschätzung ist weiterhin notwendig“
Wie kann Social Listening gerade in Krisensituationen hilfreich sein?
Social Listening dient als Frühwarnsystem, indem es die Grundstimmung konstant bewertet und hilft, Anzeichen eines Issues oder einer Krise frühzeitig zu erkennen. Etwa, wenn bei einem für das jeweiilge Unternehmen wichtigen Thema der Buzz stark ansteigt und ins Negative dreht.
Was sind die neuen Möglichkeiten, die durch KI im Bereich Media Monitoring entstehen?
Eine spannende neue Möglichkeit ist die Erkennung von Frühwarnsignalen. Hier nutzen wir Sprachmodelle, um spezifische Ereignisse, beispielsweise im ESG-Bereich, zu erkennen und zusammenzufassen. Diese Form der Früherkennung wird voraussichtlich zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Stoßen neue Technologien im Media Monitoring auch an Grenzen?
Ja, die Technologie beschleunigt und vereinfacht die Informationsbeschaffung und -auswertung, kann aber trotzdem nicht alles leisten. Menschliche Einschätzung ist weiterhin notwendig, um die Informationen korrekt einzuordnen. Vor allen Dingen die Vorhersage von weiteren Themenentwicklungen stößt an Grenzen, da wir es in öffentlichen Diskursen mit nichtlinearen, man kann schon sagen: chaotischen Systemen mit einer Unmenge an Variablen wie Teilnehmern am Diskurs und exogenen Faktoren wie einer veränderten Themen- und Nachrichtenlage zu tun haben.
Gibt es weitere Grenzen, die Künstliche Intelligenz derzeit noch nicht überwinden kann?
Ja, besonders bei der Entscheidungsfindung, also etwa dem weiteren konkreten kommunikativen Verhalten in der Krise. Hier wird der Faktor Mensch weiterhin eine wesentliche Rolle spielen. In hoch emotionalisierten Krisensituationen ist der Sachverstand und das Urteilsvermögen von Menschen unverzichtbar, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Über den Autor:
Wolf-Dieter Rühl verantwortet mit seinem Team Themen- und Positionierungsanalysen und leitet bei UNICEPTA als Director die Research Services. Er war unter anderem Mitautor einer grundlegenden Studie über Verursacher, Verbreitungswege und Wirkungen von Fake News im Bundestagswahlkampf 2017 („Fakten statt Fakes“, Stiftung Neue Verantwortung, 2018). Vor seinem Einstieg 2013 arbeitete er 15 Jahre lang als Journalist, zuletzt als geschäftsführender Redakteur des „prmagazins“. Rühl studierte Politikwissenschaften, Germanistik und Geschichte in Köln und Paris (M.A.).
Hinweis zum Buch:
Den kompletten Beitrag von Wolf-Dieter Rühl finden Sie hier. Zur Buchwebsite mit einer Übersicht aller Autoren und Beiträge geht es hier.