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Erfolgsfaktor: Kommunikationsmanagement

Bürgerbeteiligung ist in Bochum kein Lippenbekenntnis, sondern ein scharfes Instrument, um die Menschen der Ruhrgebiets-Großstadt mitzunehmen. Seit 2017 veranstaltet die Stadtverwaltung Bürgerkonferenzen zu Bochumer Zukunftshemen. Die regelmäßig stattfindenden Konferenzen gibt es, um Meinungen der Stadtgesellschaft zu diskutieren und weiterzuentwickeln.

Markthallen verheißen urbanes Flair, großstädtisches Treiben, kulinarische Genüsse. Sie liegen in den inspirierendsten Städten Europas, in Barcelona, London oder Dijon – und bald in Bochum. Mitten in der guten Stube der 360.000-Einwohner-Stadt, vis a vis dem Rathaus, entsteht in den nächsten vier Jahren das so genannte Haus des Wissens. Es beherbergt die Stadtbücherei und die Volkshochschule sowie eine Markthalle mit bis zu 60 Ständen. Ein schillerndes Projekt, das sich nicht etwa die Stadt Bochum ausgedacht hat, sondern ein Wunsch der Bochumer:innen ist.

Seit 2017 veranstaltet die Stadtverwaltung Bürgerkonferenzen zu Bochumer Zukunftshemen. Die erste Konferenz akzentuierte die so genannte Bochum Strategie und diskutierte, wie Bochum im Jahr 2030 aussehen soll. Jede:r tausendste Bewohner:in quer durch Alter, Geschlecht, Herkunft und Stadtbezirk wurde eingeladen, und die Bochumer Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung gefolgt. Sie benannten Anpassungsbedarfe, die in den nächsten Bürgerkonferenzen besprochen wurden und noch werden: die Entwicklung des ÖPNV samt Taktung und Preisgestaltung, der Ausbau des Radwegenetzes sowie Abstellmöglichkeiten, die Lebens- und Verweilqualität in den Quartieren, Grünflächenplanung, Ausstattung und Qualität der Kinderbetreuung.

Marktstände für die Zukunft?!

Und da man ja mal Wunschzettel schreiben kann (ohne Gewähr auf Erfüllung), benannten die Teilnehmenden gleich ihre Top Ten der Bürger:innen-Vorschläge. Auf Platz zwei: die Errichtung einer Markthalle. Die Verwaltung nahm es wahr, prüfte, rechnete, prüfte, plante, passte an, schrieb aus. Fällte die Entscheidung und begann 2022 mit den vorbereitenden Arbeiten. 2026 wird die Markthalle fertig sein, unter einem Dach mit Volkshochschule, Stadtbücherei und dem Hochschulverbund UniverCity im Haus des Wissens.

Macht die neue Markthalle, die expliziter Wunsch der Bürger*innen war, die Stadt Bochum resilienter? Widerstandsfähiger gegenüber dem menschengemachten Klimawandel, Gefahren durch Cyber-Angriffe, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Nahrungsunsicherheit und Wasserstress? Ja, meint die Stadt Bochum. Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern mache eine Stadt resilienter. Aber wodurch genau?

Man muss unterscheiden zwischen verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung: gesetzlich vorgeschriebene, gesetzlich mögliche und freiwillige. Die Bürgerkonferenzen (von denen es nach 2017 drei weitere gab; eine vierte zum Thema „Familie“ ist für 2023 in Planung) sind freiwillig. Im Baubereich sind Beteiligungen oftmals vorgeschrieben, etwa dazu, wann Projekte öffentlich bekannt gegeben werden müssen oder welche Fristen es für Einwände gibt. Freiwillige Formate hingegen bemühen sich, die Menschen in die Planungsprozesse mitzunehmen. Ein Beispiel: Im Stadtteil Gerthe sollte ein Quartier mit 800 Wohneinheiten entstehen. Zu eng, zu viel Beton, zu versiegelt, zu wenig ökologisch, meinten viele. Die Anregungen, Sorgen und Kritikpunkte aus der Bürgerschaft – teilweise mit mehreren hundert Teilnehmenden – wurden aufgenommen, das Projekt wurde angepasst. Gebaut werden nun 400 stark durchgrünte Wohneinheiten, per Radweg mobilitätsfreundlich mit der Straßenbahn auf der zentralen Achse verbunden. Gemeinsam mit der Bürgerschaft wird hier Wohnraum so gestaltet, dass es eine klimaresiliente Quartiersentwicklung gibt.

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„Bürgerbeteiligung heißt für uns nicht nur diejenigen zu hören, die sowieso laut sind, sondern auch die, die oft überhört werden.“

Thomas Eiskirch, Oberbürgermeister der Stadt Bochum

Die Bürger:innen mitzunehmen ist schlau. Kommunen handeln Konflikte im Vorfeld aus und können sie entschärfen. Bürgerbeteiligungen dienen der Akzeptanz und somit dem Gelingen von Stadt(um)bau-Projekten und, wie die Stadtverwaltung Bochum sagt, „der Festigung des Verhältnisses zwischen Bürger:innen und Stadt.“

„Mit dem Format „Bürgerkonferenz“ gestalten wir gemeinsam Bochums Zukunft!“, so Thomas Eiskirch, Oberbürgermeister der Stadt Bochum. „Bürgerbeteiligung heißt für uns nicht nur diejenigen zu hören, die sowieso laut sind, sondern auch die, die oft überhört werden. Wir wollen ein möglichst direktes und repräsentatives Abbild der Gesellschaft und laden deshalb 372 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger – einen pro tausend Einwohner – einmal im Jahr ein.“, so Eisleben weiter. „Gemeinsam wollen wir Bochums Zukunft gestalten und diskutieren einen Tag lang viele gute Ideen und Anregungen. Mehr Sitzbänke in der Stadt, generationenübergreifende Treffs im Stadtteil, moderne Mobilitätangebote, ein besserer Zugang zu digitalen Dienstleistungen oder die Markthalle im Haus des Wissens sind nur einige Beispiele zahlreicher guter Ideen aus den Bürgerkonferenzen. Der Austausch festigt das Verhältnis zwischen den Bürger*innen und der Stadt und die Erkenntnisse und Erfahrungen ermutigen uns, den eingeschlagenen Weg sowohl mit der Bochum Strategie, als auch mit dem Format Bürgerkonferenz in Zukunft weiterzugehen“ betont der Oberbürgermeister der Stadt Bochum.

Bänke für mehr Miteinander?!

Bochum nutzte das Instrument der Bürgerbeteiligung bereits früh, und der Erfolg gibt ihr Recht. Die Rückmeldungen der Bürger:innen sind positiv, nicht zuletzt, weil sie kein Lippenbekenntnis sind, sondern die Ergebnisse wirklich geprüft und – sofern realistisch – umgesetzt werden. Darum besitzt die Stadt nun 517 Bänke mehr, weil sie dem Wunsch nach mehr Sitzmöglichkeiten gefolgt ist. Darum gibt es jetzt mehrere „Gute Stuben“ etwa in alten Amtshäusern, die als Begegnungsstätten von jedermann genutzt werden dürfen. Darum geht nichts verloren, denn meldet man in Bochum dem „Bürgerecho“ einen Mangel, so bekommt man bald darauf den Stand der Bearbeitung mitgeteilt.

Und auch die Erfahrung der Stadtverwaltung ist positiv. Bürgerkonferenzen gelten in Bochum dann als gelungen, wenn „wir auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern über Ideen und Vorschläge diskutieren und Feedbacks geben. Nach dem Motto: „Sind wir auf dem richtigen Kurs oder sollten wir eine andere Richtung einschlagen? Welche Parameter brauchen die Stadtbewohnerinnen und -bewohner, um zufrieden zu sein mit den Angeboten ihrer Stadt“?“, so der Sprecher der Stadt Bochum. Es zählt nicht die Anzahl der umgesetzten Maßnahmen, sondern auch die Feedback-Schleife von den Menschen zur Stadt.

Nicole Jakobs
Autorin

Nicole Jakobs

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